Gerd Constapel
Die Kraft der Worte und Bilder
Vollendete niederdeutsche Lyrik. In Rhythmus und Form einzigartig. Wer gekonntes Wortspiel liebt, eines, das weder Jambus noch Trochäus braucht, zudem noch in autochthoner Sprache mit prächtigen Bildern zur Ausdrucksstärke findet, der wird in der Kunst von Gerd Constapel in reichem Maße fündig werden.
Wenn Worte ihre Kraft entfalten, sich schließlich zu Bildern zusammenfügen, das Leben spiegeln in all seiner Vielfalt, dabei auf Schnörkel und Arabesken verzichten und trotzdem klar und erschöpfend sind und sogar ästhetische Schönheit vermitteln, dann spricht man von wahrer Könnerschaft. Es ist eine Lektüre, in die Lesende wohlig versinken. Man ist gefangen von einer gediegenen Wortkunst, die im tiefsten Inneren berührt und in der man sich zugleich mit einem ganz persönlichen Lebensbezug wiederfindet. Gerd Constapels Lyrik ist von eben diesem Kaliber. Er versteht es meisterhaft, mit Bedeutungsschwere zu fesseln und sich in der Wahl seiner Mittel gleichwohl zurück zu nehmen.
Es ist das das Verhältnis von Aufwand und Wirkung, das hier besonders ins Auge fällt; Gerd Constapel besitzt die Gabe, mit wenigen Worten eine hochverdichtete Semantik zu erzeugen. Vielleicht liegt die Wurzel dieser Kunst in der beruflichen Vergangenheit. Als langjähriger Kaufmann mit internationaler Erfahrung hat er gelernt, seinem Handeln und Tun das Prinzip der Wirtschaftlichkeit zugrunde zu legen; das Bemühen, mit geringstmöglichem Einsatz ein Optimum an Wirkung zu erzielen. Doch wer in der Folge einen Verlust an Farbe und Ausdruck erwartet, der wird eines rasch Besseren belehrt, denn das Gegenteil trifft zu. Seiner Lyrik tut dieser Ansatz ausgesprochen gut. Sie entwickelt eine herausragende Suggestionskraft und ist dabei bescheiden, ja nahezu sparsam in der Wahl ihrer Werkzeuge.
In seinem Zyklus „Stoom“ vollendet Gerd Constapel eine Ausdrucksform gegenständlicher Allegorie, und was auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint, überzeugt durch lyrischen Realismus. Der Bogen spannt sich über ein ganzes Jahr und beginnt absichtsvoll nicht mit dem Frühling, sondern mit dem Herbst. Darin liegt etwas zu Ende Gehendes, etwas Sterbendes, und doch wird der Same schon sichtbar, der die künftige Frucht gebiert. Zum Winter hin mehren sich gar üble Vorzeichen, faulige Nässe drückt und schnürt die Gemüter, aber der Mensch bleibt voller Zuversicht in seiner Gewissheit dessen was kommt „Allmählich fand sich der Anflug eines Lächelns ein auf den Gesichtern. Wir stellten Mutmaßungen an ohne Bitterkeit. In unserem Inneren glomm der Neubeginn, die Helligkeit war schon zu ahnen.“ So nimmt der Dichter die menschliche Existenz, ihr Werden, Sein und Vergehen, und legt sie wie einen Scherenschnitt auf den ewigen Kreislauf unseres irdischen Daseins
Auf diese Weise wird auch eines deutlich; seine Lyrik kommt nicht zwingend leichten Schrittes daher, obwohl sie genau das kann, beschwingt sein und von luftiger Frische. Aber sie wechselt ebenso mühelos ins Schwere, sogar ins Bleierne. Es hängt von der Botschaft ab, die der Dichter übermitteln will. Dabei liegt ihm alles Belehrende fern, einen erhobenen Zeigefinger gibt es ebenso wenig wie das fertig formulierte Leitbild. Gerd Constapel erfasst das Alltägliche und spiegelt es an einer außergewöhnlichen Sprachgewalt. So beschreibt er es am Ende seines meisterhaften Zyklus: „Ein grüner Schimmer liegt auf Ländereien und eine feierliche Stille.“ So schließt er den Kreis, das Leben kehrt zurück. Lothar Englert
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